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Der Islam und die Schweiz

Hier ein Auszug aus einem Podiumsgespräch vom 15. Mai 2007 unter dem Titel "Der Islam als Herausforderung für die Christen und die Zivilgesellschaft in der Schweiz?", UNION Luzern


Wer sich für dieses Thema interessiert dem kann ich den gesamten Text sehr empfehlen: Die gesamten Thesen der Teilnehmer können hier als pdf runtergeladen (ca. 55 kb) werden.

Teilnehmer:
• Prof. Dr. Christian W. Troll SJ; Islamwissenschaftler

• Beat Stauffer; freischaffender Journalist und Autor



Auszug aus den Thesen von Prof. Dr. Christian W. Troll SJ

3. These:
Die Nichtmuslime dürfen nicht der Gefahr erliegen, die Muslime und den Islam vernehmlich im Lichte der Terrorakte zu sehen, die in unseren Tagen im Namen des Islam verübt werden, oder einseitig nur von der Erfahrung, der sich in manchen Teilen Europas zu abgeschotteten Subgesellschaften formierenden Gruppen von muslimischen Einwanderern und ihren Moscheeorganisationen her zu beurteilen. Gerade jetzt ist es notwendig, zunächst den Islam als religiös-kulturell-politisches Gesamtphänomen im Auge zu behalten.
Der Islam ist eine der grossen Weltreligionen. Die islamische Glaubensvision und die darin verankerten Werte, haben es vielen Milliarden Menschen seit mehr als 1400 Jahren ermöglicht, ein menschlich und religiös reiches Leben zu führen und für die tiefsten Fragen des Lebens – auf der individuellen sowie auf der korporativen Ebene – sinnvolle Antworten zu finden. De facto, d.h. historisch gesprochen, ist der Islam immer wieder Verbindungen mit verschiedensten lokalen und regionalen Kulturen und ihren Bräuchen, Rechtsvorstellungen, Empfindungen und Lebenswelten eingegangen. So haben sich im Laufe der Geschichte lokale und regionale Variationen des muslimischen Lebens immer neu und in großer Bandbreite ausgeformt. Dabei kam es nicht selten auch zu "Kompromissen" hinsichtlich des Masses und der Art der praktischen Umsetzung der Scharia.

4. These:
Wenn wir heute auf die islamische Welt schauen, nehmen wir – grob gesprochen – drei Hauptströmungen wahr:

a) kultureller, gemässigter Islam des Weges der Mitte
b) islamistischer (bzw. fundamentalistischer) Islam des Buchstabens
c) Islam im Prozess der radikalen Neuinterpretation, nach dem Geist des Buchstabens.

Der hier an zweiter Stelle genannte zeitgenössische islamische Fundamentalismus, dessen Bedeutung weltweit nicht als Marginalerscheinung abgetan werden kann, besteht in dem Versuch, eine umfassende Ordnung des politischen, sozialen und individuellen Lebens, die sich auf den Wortlaut von Koran und kanonischer Tradition der Aussprüche und vorbildhaften Taten des Propheten (Hadithe) gründet, so weit wie möglich durchzusetzen:

Islam = Religion und Staat
Koran = die Verfassung des islamischen Staates
Scharia = das vollkommene Rechtssystem, das Gerechtigkeit garantiert

[…]

8. These:
Natürlich weiss man, dass es europaweit gleichzeitig und zunehmend Muslime und muslimische Organisationen gibt, die loyale Bürger ihres europäischen Landes sind, und die sich dezidiert für die europäische Gesellschaftsordnung aussprechen. Aber es bleiben Fragen und Ängste und dies verständlicherweise, nicht zuletzt auch auf Grund der mangelnden Klarheit und/oder Vieldeutigkeit mancher Aussagen in Dokumenten wie der Charta des Zentralrats der Muslime in Deutschland vom 20. Februar 2002 oder etwa auch der "Wiener Erklärung" der Konferenz der Imame und SeelsorgerInnen vom 8. April 2006. Man registriert die fortdauernde Weigerung gerade muslimischer Gruppen und Organisationen, einen Prozess der Integration in die Lebenswelt Europas aus Überzeugung in die Wege zu leiten und zu fördern, einen Prozess, in dem beide, so hofft man, die nicht-muslimische und die muslimische, im Hinblick auf eine neue entstehende gesellschaftliche Konstellation zu Änderung und gegenseitiger Akkomodation bereit sind. Die Erwartung ist hier also, dass sich ein europäisch gefärbter Islam entwickelt. Damit meinen wir, ohne auf dem Begriff "Euro-Islam" zu insistieren, einen Islam, der an der Wertorientierung der Zivilgesellschaft teilnimmt, mit anderen Worten eine Weise islamischen Lebens und Denkens, das "im Einklang mit den Grundinhalten der kulturellen Moderne (Demokratie, individuelle Menschenrechte, Zivilgesellschaft und Pluralismus) steht und die Werteorientierung des Pluralismus annimmt." (B. TIBI, "Der Euro-Islam als Brücke zwischen Islam und Europa"). Realistisch gilt es zu konstatieren, dass sich heutzutage vielerorts muslimische Lebensformen entwickeln, die sich bewusst von bestimmten Werten und Lebensformen der Mehrheitsgesellschaft absetzen, und diese Trennung auch räumlich zum Ausdruck bringen möchten, etwa durch Schaffung grosser, allein vom Islam und seiner Scharia geprägten Gebäudekomplexe.

Illustration von der Website


9. These:
Integration bedeutet nicht Entwurzelung und gesichtslose Assimilation. Integration ist auch die Alternative zum beziehungslosen Nebeneinander unvereinbarer Kulturen. Integration – das ist die immer wieder zu erneuernde Bindung aller an gemeinsame Werte. Wer dauerhaft in Europe leben will, braucht seine Herkunft nicht zu verleugnen. Er muss aber bereit sein, eine offene Gesellschaft nach dem Leitbild des Grundgesetzes mitzugestalten […]. Wir können nur dann eine offene Gesellschaft sein und bleiben, wenn sich keine Inseln bilden, die ausserhalb des gesellschaftlichen Grundkonsens liegen.

10. These:
Es erscheint wichtig, dass unsere muslimischen Partner die Entwicklung des westlichen (inklusive des kirchlichen) christlichen Denkens hin zu Säkularität nicht als eine spezifisch westliche Entwicklung auffassen, weil sie historisch zunächst im Westen entstanden, und damit grundsätzlich nur auf ihn beschränkt, und gleichsam von letztlich bloss regionaler Bedeutung sei. Vielmehr sollten Muslime sie als eine Entwicklung auffassen, die sich ergeben musste, sobald man die individuellen Menschenrechte ernst nahm und gleichzeitig – unter Wahrung dieser Rechte und Freiheiten in religiös und konfessionell pluralen Gesellschaften und Staaten – gerecht und solidarisch zusammenleben wollte. Es wird wesentlich darauf ankommen, dass alle Muslime die säkular-demokratische Rechtsordnung als die universal geforderte Bedingung der Möglichkeit für ein plurales Zusammenleben in Solidarität und Gerechtigkeit begreifen.

[…]

12. These
Es gibt in der historischen Wirklichkeit nicht den Islam als solchen und wird ihn auch nie geben, sondern nur den Islam der Muslime, die selbst entscheiden, was ihrer Überzeugung nach in ihrer Religion möglich ist und was nicht. Die Grundfrage für uns alle ist also: Werden sich die Muslime in ihrer grossen Mehrheit als Gemeinschaft von Glaubenden konstruktiv mit den Werten und Zielen der pluralen, globalen Weltgesellschaft – mit ihrer Menschrechtscharta etc. – identifizieren und sich in diesem Sinn in der Weltgesellschaft einordnen oder werden sie weiterhin versuchen, diese Welt dem Islam, der umma unterzuordnen. Werden sie ihre Gründungsschrift und –biographie so neu interpretieren, dass ihnen diese Einordnung mit guten koranischen und "siratischem" (d.i. gegenüber der Vita (sīra) des Propheten als Modell für jeden Gläubigen) Gewissen möglich ist? Und dann: Sind wir nicht-muslimischen Mitbürger bereit, das unsere dazu beizutragen.


Mahmud-Moschee in Zürich



Auszug der Thesen von Beat Stauffer, freischaffender Journalist und Autor

3. These
Die Integration der Muslime in die mehrsprachige und konfessionell vielfältige Gesellschaft der Schweiz ist von zentraler Bedeutung. Wenn diese Integration misslingt, steht das Modell einer föderalistischen Schweiz, in der alle Minderheiten ein Existenzrecht besitzen, auf dem Spiel. Islamische "Parallelgesellschaften" können in der Schweiz keinesfalls geduldet werden.
Es muss selbstverständlich sein, dass Muslime in der Schweiz ihren Glauben frei und unbehindert ausüben können. Die Behörden dürfen ihnen dabei keine unnötigen Hindernisse in den Weg legen. Vielmehr sollten sie auf Muslime zugehen und ihnen die Hand zum Dialog reichen. Muslimische Vereinigungen haben sich ihrerseits um glaubwürdige und kompetente Ansprechpartner zu bemühen.

[…]

7. These
Klare Verstösse gegen das geltende Recht sind von den schweizerischen Behörden zu ahnden; Kulturrelativismus hat in diesem Zusammenhang keine Berechtigung.
Um die geltenden Gesetze, aber auch die grundlegenden Werthaltungen in der Schweiz gegenüber muslimischen Migranten zu vermitteln, brauchen die Behörden dringend Ansprechpartner, welche die jeweilige Landessprache beherrschen (Imame, Präsidenten von Moscheevereinen u.a.m.) Aus diesem Grund müssen sich die Schweizer Behörden dringend für die Schaffung einer schweizerischen Ausbildungsstätte für Imame und Religionslehrer einsetzen.

Vorstehender Text wurde von einem öffentlichen Dokument der Webseite der philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen entnommen.


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